Burgbrohl. Mit einer bewegenden Feier wurde am Sonntag auf dem Josefsplatz in Burgbrohl eine Basaltstele enthüllt, die als unübersehbaren Blickfang eine Bronzetafel trägt. Darauf stehen die Namen von 22 Burgbrohler Bürgern jüdischen Glaubens, die vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. Doch die Festredner stellten auch aktuelle Bezüge her.
Gleich mehrere Redner richteten während des Festaktes – auf den Tag genau 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – ihren Blick nicht nur zurück in die NS-Zeit, sondern auch in die osteuropäische Gegenwart. Denn mehrfach war eine Frage zu hören: „Wer hätte das noch vor wenigen Monaten für möglich gehalten?“
In der Tat war es noch vor Kurzem kaum denkbar, dass der Schrecken von damals mit dem Ukraine-Krieg nach Europa zurückkehrt. Dabei soll ein Denkmal wie das vom Josefsplatz an Geschehenes erinnern, um es für die Zukunft auszuschließen. „Denn wer die Geschichte nicht kennt, wiederholt ihre Fehler“, sagte Landrätin Cornelia Weigand. Das Brohltal bereichere in vorbildlicher Weise die Erinnerung an jüdische Menschen und ihre Kultur im Kreis Ahrweiler. In diesem Zusammenhang erwähnte die Landrätin die Erinnerungs- und Begegnungsstätte Ehemalige Synagoge in Niederzissen, deren 10-jähriges Bestehen auch an diesem Tag gefeiert wurde.
„Wir sind gehalten, unsere Erinnerungen an die junge Generation weiterzugeben“, sagte Ortsbürgermeister Walter Schneider. Auch er zeigte sich fassungslos, „dass wir noch einmal mitten in Europa solche Zeiten erleben, die den Menschen Leid durch Krieg und Terror bringen“.
Von einer Schande, dass so etwas heute noch möglich ist, sprach Johannes Bell, Bürgermeister der VG Brohltal, angesichts des Ukraine-Kriegs. Die Menschheit lerne ganz offensichtlich nichts dazu. Dabei blickte Bell zurück auf die Wahlen in Frankreich, bei der die rechtsnationale Kandidatin zwei Wochen zuvor mehr als 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Und bei der jüngsten Bundestagswahl hat die AfD im Brohltal auch rund 10 Prozent der Stimmen bekommen.
Als ein Zeichen gegen das Vergessen bezeichnete Dieter Burgard, der bisherige Beauftragte der Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen, das Denkmal. „Seien wir wehrhaft für eine Gesellschaft mit Respekt für alle. Denn auch in Deutschland werden seit Halle wieder Koffer gepackt“, sagte er und zitierte einige Zeilen aus einem Lied von Udo Lindenberg: „Wozu sind Kriege da?“
„Wir können die Geschichte nicht umschreiben. Aber wir können für kommende Generationen ein Zeichen setzen, dass wir die Geschichte nicht vergessen haben“, sagte Avadislav Avadiev, der Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Rheinland-Pfalz und der jüdischen Gemeinde Koblenz.
Alle zusammen bedankten sich bei Dr. Gerhard Wagner, dem Ideengeber für die Gedenkstele. Durch die Bücher „Burg, Bach, Tal“ von Kurt Degen aus Burgbrohl sowie „Ein langer Weg“ aus der Feder der Niederzissener Autorinnen Brunhilde Stürmer und Brigitte Decker sei sein Interesse für die Thematik entstanden, berichtete der Arzt im Ruhestand. „Finanziert wurden Bronzeplatte und Stele durch die Spenden meiner Freunde anlässlich meines runden Geburtstags.“ Weitere namhafte Beträge seien von der Kreissparkasse und der Volksbank sowie vom Land über Dieter Burgard beigesteuert worden.
Die Stele wurde von der Steinbildhauerei Netzer Mühle gestaltet und aufgestellt, während die Bronzetafel in der Kunstschmiede Maria Laach entstanden ist. „Es soll uns viel bedeuten, einen Ort geschaffen zu haben, an dem wir unserer ehemaligen jüdischen Mitbürger von Burgbrohl gedenken und ihnen Ehre erweisen können“, so Dr. Gerhard Wagner.
Umrahmt wurde die Feierstunde von Saxofonistin Carolin Hild. Für den Schluss hatte sie sich ein besonders emotionales Stück ausgesucht und eigens für diesen Anlass eingeübt: Die Filmmelodie aus „Schindlers Liste",
Text: Hans-Willi Kempenich / Rhein-Zeitung
Fotos: Eberhard Thomas Müller